Mein Smartphone - mein zweites Ich?
Das habt ihr bestimmt auch schon bemerkt: Smartphones bestimmen unseren Alltag. Seitdem es sie gibt, ist es immer auffälliger geworden – sie sind einfach überall. Egal wo man hinsieht, im Bus, auf der Strasse, im Zug, in der U-Bahn, im Café, im Restaurant, beim Fernsehen, sogar am eigenen Esstisch…ständig hat jemand das Handy in der Hand. Ich habe mich gefragt, warum das so ist, warum wir ständig Ablenkung brauchen. Deshalb habe ich einen Digital Detox gemacht, eine „digitale Entgiftung“. Das bedeutet, ich habe eine ganze Woche lang mein Handy in einem Schrank weggesperrt und mein altes, nicht-internetfähiges Nokia-Handy hervorgekramt. Und sehr bald ging es schon los: ich sass im Zug, hatte ein wenig Langeweile…und habe sofort das Handy in die Hand genommen. Aber, ohje! Es hat sich nichts darauf getan. Keine Neuigkeiten, keine neuen Nachrichten, keine neuen Updates, keine Musik, die ich hören konnte und nichts, was ich nachschauen könnte. Da ist mir das erste Mal aufgefallen, wie sehr ich mich von meinem Smartphone abhängig gemacht hatte. Es ist ein echtes Phänomen! Ich kann richtig beobachten, wie alle Menschen um mich herum das Smartphone wie einstudiert bei jeder Gelegenheit zücken…und wenn sie nur 5 Minuten lang auf den Zug warten müssen! Ich habe mich auch mit einer Bekannten über dieses Thema unterhalten, und sie meinte auch, dass sie das Handy oft nur rausholt, um beschäftigt zu wirken. Um nach aussen hin den Anschein zu erwecken, gefragt zu sein, vor allem, wenn Menschen in ihrer Nähe sind, die sie beeindrucken möchte…also vor allem im Freundeskreis und vor Kollegen. Denn wer aufs Handy schaut, der muss ja schliesslich einen Grund dafür haben, irgendjemand muss ja versucht haben ihn zu erreichen…oder? Eben nicht! Wir nehmen unser Handy 88 Mal am Tag in die Hand, und wozu? Niemand braucht das! Als ob uns 88 Mal am Tag jemand versuchen würde zu erreichen…wir machen das, um uns abzulenken. Und wovon? Wir lenken uns von uns selbst ab, denn wir können keine Zeit mit uns allein verbringen. Und jetzt sogar noch weniger als noch vor einigen Jahren, weil wir uns jetzt an die Dauer-Ablenkung Smartphone gewohnt haben und uns selbst gar keine Chance mehr geben. Es ist sogar schon so weit, dass wir gar nicht mehr wahrnehmen, wie oft wir das Handy eigentlich in der Hand haben…das ist mir erst bei meiner Erfahrung im Zug aufgefallen.
Bemerkenswert ist auch, dass mehrere Studien Hinweise darauf liefern, dass es eine echte „Smartphone-Sucht“ gibt. Das ist eigentlich ganz leicht zu erklären: nach sozialen Interaktionen werden in unserem Gehirn Belohnungs-Hormone namens Dopamin ausgeschüttet. Und da unser Handy durch Plattformen wie WhatsApp, Facebook oder Instagram eine leichte Möglichkeit zum sozialen Austausch bietet und der Griff zum Handy recht schnell und unkompliziert ausführbar ist, stillen wir unser Bedürfnis nach der Ausschüttung dieses Hormons so oft mit dem kleinen Funker.
Mit meinem 10-tägigen Meditationskurs versuchte ich dem entgegenzuwirken: während dieser Zeit war es weder den Teilnehmern, noch mir selbst natürlich erlaubt, das Mobiltelefon in die Hand zu nehmen. Es gab also keine Möglichkeit zu lesen, keine Musik, kein Shopping, überhaupt keine Kommunikation mit anderen. Stattdessen war absolutes Schweigen geboten. Und siehe da: Wir waren alle gezwungen, wirklich einmal Zeit nur mit uns selbst zu verbringen. Viele wissen ja gar nicht, wie das funktionieren soll, nur mit sich selbst in Kontakt zu treten. Denn genau den verlieren wir bei all den Ablenkungen um uns herum: den Kontakt zu uns selbst, der doch eigentlich die wertvollste Ablenkung bieten sollte. Und wenn wir uns selbst nicht zuhören, unsere eigenen Gedanken nicht aufarbeiten können, uns nicht mit den Dingen auseinandersetzen können, die uns Tag für Tag beschäftigen…dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn unsere Laune sinkt, wir an Energie verlieren und unser ganzes Wohlbefinden darunter leidet. Das macht die Resilienz so wichtig für uns: sie bietet uns die Möglichkeit unseren Seelen-Akku wieder aufzuladen und im Dialog mit uns selbst herauszufinden, was uns guttut.
Wie geht es euch, wie viel Zeit verbringt ihr mit eurem Handy? Habt ihr schon einmal einen „Digital Detox“ versucht? Wenn nicht, traut ihr euch? 😉
Literaturverzeichnis:
Bornkamm, Henriette: “SRF mySchool”, unter: https://www.srf.ch/sendungen/myschool/tierisch-menschlich-warum-wir-immer-online-sind (abgerufen am 02.07.2019)